Monat: Mai 2019

Rauschen der Meeresschnecke

Auf dem Flohmarkt gibt es herrliche Exemplare von Muscheln. Ich kann nicht widerstehen, kaufe einige und halte sie ans Ohr – das Rauschen ist deutlich zu hören. Je lauter das Rauschen, desto besser die Muschel? Warum besser? Und überhaupt: Was rauscht denn da?

Das klären wir später. Zunächst einmal: Die Muscheln vom Flohmarkt sind gar keine Muscheln, sondern Meeresschnecken. Eigentlich die Gehäuse von Meeresschnecken. Hört man das Meer rauschen, wenn man am Strand in sie hineinhorcht? Zum Teil ja, aber die Schnecke rauscht auch fernab vom Meer. Dort hört man, so heißt es, das Rauschen des eigenen Bluts. Das ist mit Sicherheit falsch, in einem schalltoten Raum rauscht auch eine Muschel nicht, pardon: Meeresschnecke nicht.

Wir dehnen unsere Forschung auf meeresschneckenähnliche Gebilde aus, wie zum Beispiel meinen Kaffeebecher. Der rauscht auch. Das tun sogar unsere Hände, wenn wir sie zu einer Art Schale formen und vor das Ohr halten. Nur absolut ruhig darf es um uns herum nicht sein, ein kleiner Geräuschpegel ist nötig. Wir schließen daraus: Die Meeresschnecke und ihre Artverwandten rauschen, indem sie das Geräusch ihrer Umgebung irgendwie verstärken. Das ist in der Tat richtig. Die Schnecke entzieht dem gleichförmigen Geräusch der Umgebung einen Teil der Schallenergie und bündelt diese in der Nähe von Frequenzen, für die unser Ohr sehr empfindlich ist. Mit anderen Worten: Rauschenergie wird in das Frequenzfenster unseres Ohres verschoben und erhöht dort das Signal-zu-Rausch-Verhältnis der Lautstärkeschwankungen. Das erklärt das Rauschen am Meeresstrand: Brandung und  Wind liefern die Geräuschkulisse, die Schnecke filtert für das Ohr passende Frequenzen heraus. Im schalltoten Raum fehlt die Geräuschkulisse.

Damit stellt sich die Frage, welche Frequenzen denn eine Schnecke aus dem Rauschen herausfiltert. Hierzu ein Experiment: Wir schließen einen Lautsprecher an einen Tongenerator an, der reine Sinus-Töne erzeugt. Die Schnecke halten wir in einiger Entfernung vom Lautsprecher an das Ohr und drehen die Lautstärke des Generators so weit herunter, dass der Ton mit dem freien Ohr gerade noch hörbar ist. Dann verändern wir die Frequenz des Tons. Bei bestimmten Frequenzen hören wir ihn nicht nur aus dem Lautsprecher, sondern auch aus dem Schneckengehäuse in unser Ohr dringen. Das sind die Frequenzen, die die Schecke aus dem Rauschen der Umgebung herausfiltern würde. Die weiße Schnecke in der Mitte des Bildes zum Beispiel fischt sich die Frequenzen 620 Hz, 1240 Hz und 1980 Hz heraus, die rote Schnecke (rechts in Bild) die Frequenzen 890 Hz, 1750 Hz und 2640 Hz. Leider kann ich diese Frequenzen nur auf etwa  ± 40 Hz genau bestimmen – mein Ohr ist nicht empfindlich genug, um zu entscheiden, wann der Ton aus dem Schneckengehäuse am lautesten ist. Ich bin auch nicht sicher, ob ich alle Frequenzen gefunden habe. Also muss ein besseres, aufwändigeres Experiment her. Darüber wird hier berichtet.

Die Meeresschnecke lässt sich in grober Näherung als ein konisches Horn auffassen. Das konische Horn ist ein Standardmodell der Akustik. Mehr darüber hier.

Le Chemin de fer du Bocq

Wir nehmen die Autobahn von Lüttich nach Charleroi. Bei Namur wechseln wir auf die E411 in Richtung Süden und erreichen nach etwa zehn Minuten den Ort Spontin. Spontin liegt am Bocq, einem Nebenfluss der Maas, der sich in einem waldreichen Tal durch die Ardennen windet. Durch das Tal führt auch eine Eisenbahnstrecke, der Chemin de fer du Bocq. Die Strecke verband früher die Orte Ciney und Yvoir (in Yvoir mündet der Bocq in die Maas). Sie ist schon seit Jahren für den Regelverkehr stillgelegt, wird aber als Museumslinie intensiv genutzt. Der Verein, der die historischen Fahrten veranstaltet, ist der Patrimoine Ferroviaire et Tourisme (PFT) – oder, in niederländisch, Toerisme en Spoorpatrimonium (TSP).
Wir haben uns beim PFT (TSP) zu einer Eisenbahn-Fotosafari angemeldet. Sie startet am Bahnhof Spontin und bringt uns zu den schon etablierten Kamera-Standorten entlang der Strecke. Dort herrscht Disziplin. Oberstes Gebot ist: Niemand läuft dem Anderen vor die Kamera. Es gibt, wie beim Freistoß auf dem Fußballfeld, eine Linie, die in Richtung auf das Objekt (Lok, Zug, Triebwagen) nicht überschritten wird. Wer es tut, outet sich als Neuling, der die Regeln nicht kennt. Die besten Foto-Standorte sind Viadukte mit Tunnelportalen im Hintergrund (Abbildung).