Kategorie: Computergrafik

Nachtrag zur Adventszeit – Herrnhuter Stern

Beim weihnachtlichen Stöbern im Internet stoße ich auf einen Artikel von J. Böhm1, der ein Derive-Programm zum Zeichnen des Herrnhuter Sterns beschreibt. Für mich ein Anlass, dasselbe mit Maple zu versuchen, der Software, die ich als Mathematik-Programm benutze. Dieser Versuch dauerte länger als  geplant – ich hatte lange nicht mehr mit dem Maple-System gearbeitet und vieles vergessen.
Zunächst lernte ich, dass der Rumpfkörper des Sterns ein archimedischer Körper ist, also ein konvexer Vielflächner, dessen Seitenflächen regelmäßige Vielecke sind und dessen Ecken sich zueinander gleich verhalten. Der Rumpfkörper des Herrnhuter Sterns ist ein Rhombenkuboktaeder. Seine Oberfläche besteht aus 18 Quadraten und 8 gleichseitigen Dreiecken. Jeweils drei Quadrate und ein Dreieck bilden eine Raumecke, und jeweils 8 Kanten sind Kanten eines regelmäßigen Achtecks. Insgesamt gibt es sechs dieser Achtecke. Die Zacken des Sterns entstehen, indem man auf jeder Seitenfläche des Rumpfkörpers eine gerade Pyramide errichtet, insgesamt also 18 quadratische Pyramiden und 8 Pyramiden mit der Grundfläche eines gleichseitigen Dreiecks.

Zum Zeichnen der Pyramiden benötigt man die Koordinaten der Eckpunkte des Rumpfkörpers – sie bilden die 18 Quadrate und 8 Dreiecke der Pyramiden-Grundfläche – und die Koordinaten der jeweiligen Pyramidenspitze. Da der Rhombenkuboktaeder zu jeder seiner Mittelachsen drehsymmetrisch ist, genügt es, die Eckpunktkoordinaten einer Seitenfläche zu ermitteln und diese Koordinaten einer Drehung um die passende Achse zu unterwerfen. Um die Koordinaten der jeweiligen Pyramidenspitze zu erzeugen, errichten wir über dem Mittelpunkt der Seitenfläche die Flächennormale. Diese Gerade bringen wir zum Schnitt mit einer Kugel von frei wählbarem Radius. Die Abbildung zeigt die Zeichnung, das Foto einen realen Herrnhuter Stern.   Mehr zur Rechnung und zum Programmcode.

1  Josef Böhm, Der Herrnhuter Stern, nojo.boehm@pgv.at

Klever Fluchtlinien (Nachtrag)

In den »Klever Fluchtlinien« ging es um des Test eines Computerprogramms, das (zentral-)perspektivische Darstellungen in einer Bildebene  (Leinwand oder Zeichenkarton) berechnet. Der Blick vom Obelisken auf dem Klever Springenberg in Richtung Hoch Elten war dasTestobjekt: Die Perspektive entlang dieser Sichtachse sollte vom Computerprogramm wiedergegeben werden. Das war auch der Fall: Der »vanishing point« der Fluchtlinien lag genau dort, wo er geografisch liegen sollte – wenige Meter unterhalb der Kirche St. Vitus in Hoch Elten.

Den Eltener Hügel mit der Kirche habe ich vor einigen Tagen besucht. Dort ist die Skulptur »Stein Tor« des Bildhauers Christoph Wilmsen-Wiegmann nicht zu übersehen: Zwei riesige, parallel aufgestellte Basaltpfeiler lassen einen schmalen Spalt offen, hinter dem, aus Richtung Kleve betrachtet, der Kirchturm von St. Vitus erscheint. Das also ist er – der »Fluchtpunkt«. Dazu, im Boden eingelassen, ein länglicher Steinquader, der die Richtung der Sichtachse markiert.

Die Achse ist übrigens eine grenzüberschreitende Europäerin: sie durchquert niederländisches und deutsches Gebiet. Die acht Kilometer lange Sichtstrecke ist außerdem durch eine Reihe von Skulpturen kulturell aufgeladen. 

Klever Fluchtlinien

Vom Kriegerdenkmal auf dem Klever Springenberg sieht man bei gutem Wetter, durch eine Schneise im Wald blickend, am fernen Horizont den Kirchturm von St. Vitus in Hoch-Elten. In der Sichtlinie zur Kirche liegt im Vordergrund das von Bäumen gesäumte Wasserbecken eines Kanals, den Johann-Moritz von Nassau-Siegen seinerzeit anlegen ließ.
Schaut man etwas genauer hin, bemerkt man, dass sich die Fluchtlinien der Kanalufer und die der Baumreihen links und rechts des Wasserbeckens am Ort der Eltener Kirche treffen – eine, wie man liest, von Johann-Moritz gewollte Landschaftsgestaltung in Form einer Sichtachse. Für mich eine Gelegenheit, mein Java-Programm Zentralperspektive nochmals zu testen. Einen ersten Test hatte es schon bestanden: Der Blick in eine abschüssige und in der Ferne wieder ansteigende Straße in San Francisco wurde perspektivisch richtig wiedergegeben. Im vorliegenden Fall ist die Situation ähnlich. Das Gelände längs der Sichtlinie fällt zunächst ab, verläuft dann im Bereich des Kanals und der Rheinebene in der Horizontalen, und steigt erst nach mehreren Kilometern bis auf die Höhe des Eltener Berges wieder an.
Zum Test lasse ich das Programm die perspektivische Ansicht des Kanals und die der Baumreihen links und rechts des Kanals berechnen – und, unabhängig davon, die Lage des Bildpunktes der Eltener Kirche. Der Kanal wird durch ein langgezogenes Rechteck angenähert, mit zur Sichtlinie parallelen Längsseiten.

Das Programm benötigt als Eingabedaten die Eckpunkte des Kanal-Rechtecks und die Lage der Kirche in der realen Welt. Es verarbeitet die Daten nach den Gesetzen der Zentralperspektive und gibt die folgenden, in das nebenstehende Foto hineinkopierten geometrischen Gebilde aus: die Umrisse des Kanals (ein zum Trapez perspektivisch verkürztes Rechteck), die Linien der Baumreihen links und rechts des Kanals und die Lage des Bildpunktes der Eltener Kirche (rotes Kreuz). Die horizontale blaue Linie kennzeichnet die Höhe, in der sich der Wasserspiegel des Rheins befinden müsste. Die in das Foto zusätzlich hineinkopierten grünen Linien sind die Achsen eines Koordinatensystems, deren Schnittpunkt der Durchstoßpunkt der Sichtlinie durch die Bildebene ist (Augenpunkt). Die horizontale Achse dieses Systems ist der Horizont.

Die Längsseiten des Kanal-Rechtecks und die Linien der Baumreihen werden verlängert und treffen sich in einem gemeinsamen Fluchtpunkt. Dieser liegt, da die Linien in der realen Welt parallel zur Blickrichtung und horizontal verlaufen, im Augenpunkt auf dem Horizont. Wie zu erwarten liegt dort, zumindest in grober Näherung, auch der Bildpunkt der Eltener Kirche (rotes Kreuz). Genau genommen liegt der Bildpunkt auf der Senkrechten durch den Augenpunkt, und zwar minimal (und daher kaum erkennbar) oberhalb des Horizonts, da die Kirche in der realen Welt einige Höhenmeter mehr als der Kamera-Standort aufweist.

Das Foto zeigt im Übrigen, dass der Kamera-Standort in horizontaler Richtung nicht exakt in Kanalmitte liegt. Der Kanal wurde deshalb etwas weiter nach links verschoben (durch Änderung der X-Koordinaten seiner Eckpunkte). Berechnung und Foto stimmten danach besser überein, exakte Deckungsgleichheit ließ sich nicht herstellen. Die (kleine) Korrektur äußert sich in der seitlichen Verschiebung der vertikalen grünen Koordinatenachse gegenüber der Mitte des Kanals – und gegenüber der Statue vorne im Bild (Balkenhols »Neuer Eiserner Mann«).

Insgesamt betrachtet, gibt es zwar kleine Abweichungen zwischen Theorie und Praxis, beispielsweise zwischen dem im Foto abgebildeten und dem theoretisch berechneten Kanalufer. Aber abgesehen davon wird die reale Welt durch das Programm richtig in die Bildebene transformiert. Das Programm hat einen weiteren Test bestanden. Eine ausführlichere Beschreibung des Tests hier.

Es gibt im Übrigen in Kleve weitere Schneisen, Wege und Alleen, die auf markante Bauwerke oder Landschaftspunkte ausgerichtet sind, beispielsweise die „Galleien“ in der Ebene des Kermisdal-Bogens. Sie wurden auch von Johann-Moritz angelegt. 

Marmor an der Lahn

Eine Überraschung auf dem Lahnwanderweg: Der UNICA-Bruch bei Villmar an der Lahn. Er war, so liest man, einer der vielen Steinbrüche, in denen der Lahn-Marmor abgebaut wurde. Heute ist er in Rente und lehrt Erdgeschichte. Zwei Terrassen mit glatt gesägten Wänden bieten einen Einblick in das Leben in den Riffen des Devon-Meeres – vor 380 Millionen Jahren. Die angeschliffenen Kalk-Skelette der damaligen Meerestiere (linkes Bild) erinnern an Computergrafiken. Sie sehen aus wie Darstellungen von JULIA-Mengen mit Siegel-Disks, die mein Rechner seinerzeit ausdruckte. Ein passendes Exemplar (rechtes Bild) habe ich aus dem Archiv ausgegraben.

Spiegelungen mit Zirkel und Lineal

Abb_6Das Problem, Spiegelungen zentralperspektivisch darzustellen, lässt mir keine Ruhe. Inzwischen bin ich zwar sicher, dass mein Computerprogramm vernünftige Ergebnisse liefert (mehr dazu hier). Aber neu ist die Erkenntnis, dass man das perspektivische Bild einer Spiegelung auch mit Zirkel und Lineal konstruieren kann. Die alten Meister wussten offenbar, wie man das macht, sie hatten noch keine Computer.  Dieses Wissen ist natürlich nicht verloren gegangen, Anleitungen für solche Konstruktionen findet man in der Literatur zur Genüge.

Damit ergibt sich die Frage: sind diese Konstruktionsanleitungen verträglich mit der Mathematik, die ich im Computerprogramm benutze? Zwei einfache Beispiele habe ich „durchgerechnet” – sie sind es. Die Skizze zeigt eine dieser Konstruktionen1: Das Spiegelbild (blau) eines Quaders (schwarz) an einem vertikalen Spiegel (rot). Das andere Beispiel ist die Spiegelung an einer Wasseroberfläche. Details zu den beiden Rechnungen hier.

1 nach Bruce MacEvoy: elements of perspective, www.handprint.com/HP/WCL/perspect6.html

Gespiegelt und zentralprojiziert

Reinhardtsgrimma_04_mit_Foto_MMQuader_Vert_Spiegel_FotoQuader_Vert_Spiegel_Computerausdruck

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Bild, das ein Spiegel oder eine ebene Wasseroberfläche von einem Gegenstand erzeugt, folgt den Gesetzen der Optik: Der Lichtstrahl, der von einem Punkt des Gegenstandes ausgeht und unser Auge trifft, wird an der Spiegelebene so reflektiert, dass Einfalls- und Ausfallswinkel gleich sind. Eine einfache Sache. Schwieriger wird es, wenn Gegenstand und Spiegelbild, wie zum Beispiel in der Malerei, zentralperspektivisch darzustellen sind. Eine perspektivisch richtige Darstellung kann man berechnen. Dazu benötigt man etwas Lineare Algebra –  nur ein paar Grundkenntnisse über Matrizen und Vektoren. Sie sind ohne Schwierigkeiten in ein Computerprogramm einzubauen. Das habe ich getan. Von dem Programm will man natürlich wissen, ob es richtig rechnet. Also muss ein Test her.

Mein Computerprogramm ist einfach: Es kann nur einen einzigen geometrischen Körper spiegeln, nämlich einen Quader (ein Gebilde von der Form einer Streichholzschachtel). Gesucht war deshalb ein Foto mit einem Objekt, das sich durch einen Quader annähern lässt, und das auch noch gepiegelt wird. Das Gebäude auf dem Bild links erschien  mir als Testobjekt geeignet. Es liegt auf einer kleinen Anhöhe im Hintergrund des Bildes und spiegelt sich in einem Teich im Vordergrund. Wen es interessiert: es ist das Badehaus im Schlosspark von Reinhardtsgrimma  (Ortsteil von Glashütte in Sachsen). Mein Testobjekt wird zum Quader vereinfacht und dann dem Computerprogramm zur Verarbeitung eingegeben. Der zeichnet die Umrisse von Quader (Original) und Spiegelbild auf den Bildschirm. Ich habe sie in das Foto hineinkopiert. Die Fluchtlinien der horizontalen Quaderkanten laufen in zwei Fluchtpunkten zusammen, einer dieser Punkte ist sichtbar. Wie man sieht, hat der Computer richtig gerechnet – jedenfalls für den Fall horizontaler Spiegelebenen.

Natürlich sollte das Computerprogramm auch für andere Objekt/Spiegel-Anordnungen richtig rechnen. Die beiden Abbildungen rechts zeigen das Beispiel einer Spiegelung an einer vertikalen reflektierenden Ebene, im Alltagsleben als Wandspiegel bekannt. Oben das Foto, darunter der Computerausdruck. Der Vergleich zeigt, dass die Umrisse des Quaders recht gut berechnet werden. Das Computerprogramm liefert also auch in diesem Fall ein plausibles Ergebnis. Test bestanden. Mehr über die Mathematik der Spiegelung und das Programm hier.

Fibonacci-Rechtecke

Fibonacci_RechteckeEine kleine Spielerei mit der bekannten Zahlenfolge:

Nimm die Folge (Fn) =  0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55,… (n = 0, 1, 2 , 3 …) der Fibonacci-Zahlen1 und bilde die Produkte benachbarter Zahlen 0×1 = 0, 1×1 = 1, 1×2 = 2, 2×3 = 6, 3×5 = 15, 5×8 = 40, usw. Die Produkte 0, 1, 2, 6, 15, 40, usw. sind die Flächeninhalte der so genannten Fibonacci-Rechtecke2 mit den Seitenlängen (0,1), (1,1), (1,2), (2,3), (3,5), (5,8), ….  Addiere die ersten n Flächeninhalte. Dann entsteht die Zahlenfolge (an) =  0, 1, 3, 9, 24, 64, 168, 441, 1155, 3025, …, die Summe der Fläche der ersten n Fibonacci-Recktecke3.  In der Abbildung sind die Fibonacci-Rechtecke spiralförmig aneinander gelegt. Man erkennt sofort, dass jedes zweite Rechteck die bisher angelegten zu einem Quadrat ergänzt. Das heißt, jedes zweite Glied der Folge (an) ist eine Quadratzahl: 1 = 12, 9 = 32, 64 = 82, 441 = 212 und 3025 = 552, und zwar das Quadrat einer Fibonacci-Zahl mit geradem Index: 12 = F22, 32  = F42, 82 = F62, 212 = F82. Beweis durch vollständige Induktion.

Die Fibonacci-Rechteck-Spirale ist sicher keine Entdeckung von mir. Ich habe sie aber bisher in der Literatur noch nicht gefunden. Wen es interessiert, zwei kleine Notizen zum Thema: Fibonacci-Folge und Goldener Schnitt und Formel von Moivre/Binet. Oder wie wär’s mit einem Ausflug in die Lineare Algebra: Moivre/Binet (Beweis mit LA) .

… und da gerade das Stichwort „Fibonacci“ fällt, hier noch ein Nachtrag zur Jahreszahl 2017. Nach Zeckendorf kann jede natürliche Zahl n  > 0  eindeutig als Summe voneinander verschiedener, nicht direkt aufeinanderfolgender Fibonacci-Zahlen geschrieben werden. Die Zeckendorf-Zerlegung unserer Jahreszahl ist 2017 = 1597 + 377 + 8 + 1.

 

1     The On-Line Encyclopedia of Integer Sequences (A000045)
2     a. a. O., (A001654)
3     a. a. O., (A064831)

Teppiche mit gesiebten Zahlen

Die Themen Primzahlteppiche und Eulersches Primzahlpolynom beschäftigen mich noch immer. Die Idee des Primzahlteppichs stammt von Bartolomé, Rung und Kern1. In ihrem Buch über Zahlentheorie ist ein Koordinatensystem abgebildet, in dem die Punkte markiert sind, für die der Wert des Terms T(x, y) = x2 + y2 eine Primzahl ist. Das Muster der Punkte lässt zwar keine große Ordnung erkennen (abgesehen von den trivialen Symmetrien bezüglich der Koordinatenachsen und des Nullpunkts), ist aber nicht zufällig. Variiert man T(x, y), entstehen andere Grafiken.

RandomPrimeTeppich_02_weiss(1)  Hawkins Primes

 

 

 

 

 

 

 

 

 

LuckyNumberTeppich_05_weiss(2)  Lucky Numbers

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Primzahlteppich_xxplusy_03(3)  Primzahlen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zahlenteppiche:  (1) Random Primes, (2) Lucky Numbers und (3) Primzahlen, siehe Text. Ein Klick auf die Abbildung vergrößert sie.

Meine Idee: Ich erweitere den Begriff des Primzahlteppichs auf den des Zahlenteppichs. Zahlenteppiche sind denmach kartesische Koordinatensysteme, in denen diejenigen Punkte (x, y) markiert werden, für die der Wert eines geeigneten Rechenterms T(x, y) eine Zahl mit einer beliebigen, vorgegebenen Eigenschaft ist. Die Eigenschaft, Primzahl zu sein, wäre somit ein Spezialfall. Wählt man den „richtigen“ Term T(x, y), so dachte ich, müsste es möglich sein, interessante Teppichmuster auch für Zahlenmengen zu erzeugen, die sich durch andere Eigenschaften auszeichnen als prim zu sein.

Ich wähle den Term T(x, y) = x + y2. Er liefert einen interessanten Primzahlteppich (dargestellt im Artikel Eulersches Primzahlpolynom). Die  Primzahlen werden bekanntlich durch ein Siebverfahren erzeugt, benannt nach seinem Entdecker Eratosthenes. Deshalb liegt es nahe, Zahlen zu testen, die auch durch ein Siebverfahren entstehen. Da gibt es zunächst die  „Glücklichen Zahlen“ (engl. Lucky Numbers2). Sie entstehen durch ein Sieb ähnlich dem des Eratosthenes. Es streicht aber die Zahlen im Sieb nicht aufgrund ihres Wertes (wie bei Eratosthenes), sondern aufgrund ihrer Position. Als dritte durch Sieben erzeugte Zahlenmenge soll die Folge der Hawkins Primes3 (oder Random Primes) betrachtet werden. Hawkins’ Sieb ist eine nicht-deterministische, vom Zufall gesteuerte Methode, unter den jeweils verbliebenen Zahlen zu streichen. Hier eine genaue Beschreibung der drei genannten Siebe.

Die Teppiche zum Term T(x, y) = x + y2, die den genannten Zahlenmengen Primzahlen, Lucky Numbers und Hawkins Primes entsprechen, sind oben dargestellt. Das Ergebnis ist nicht umwerfend (leider), bestätigt aber unsere intuitive Vorstellung von Ordnung und Chaos in den drei Mengen. Wie erwartet, zeigt der Teppich der Hawkins Primes (Abbildung 1, oben) keinerlei Abweichungen von einer Zufallsverteilung. Die „Glücklichen Zahlen“ (Lucky Numbers) in Abbildung 2 (Mitte) dagegen lassen schon Ketten von Punkten in Richtung der Haupt- und Nebendiagonale erahnen. Im Teppich der Primzahlen (Abbildung 3, unten) schließlich sind diese Ketten zahlreicher und länger geworden – jedenfalls deutlich sichtbar. Zwei dieser Ketten entsprechen den Eulerschen Primzahlen x2 ±  x + 41, in der Abbildung durch die Farbe Magenta hervorgehoben. Für  x < 41 haben sie keine Lücken, bestehen also ausschließlich aus Primzahlen. Für  x > 40 ist die überdurchschnittlich große Häufung der Primzahlen auf dem oberen Ast deutlich zu sehen. Die mit grün markierten Primzahlpunkte gehören zu den Termen x2 ±  x + 101 bzw. x2 ±  x + 107. Siehe, wie schon erwähnt, den Beitrag Eulersches Primzahlpolynom.

 

1  Bartolomé, Andreas, Josef Rung und Hans Kern: Zahlentheorie für Einsteiger (Vieweg 1995), S.  75.
2  Hawkins, D., Briggs, W.E.: The Lucky Number Theorem, Mathematics Magazine 31 (1957), 81 – 84, 277 – 280.
3  Hawkins, David: The Random Sieve, Mathematics Magazine 31 (1957), 1 – 3.

Die Straßen von San Francisco …

Greenwich St_SF_Bild… benutze ich, um mein neues Computerprogramm zu testen. Es geht wieder einmal um die (zentral-) perspektivische Abbildung. Ein einfaches Programm, stellt Quader in Übereckansicht, in Frosch- und Vogelperspektive dar, berechnet Fluchtpunkte und Fluchtlinien, und zeichnet den zur Blickrichtung  gehörenden Horizont. Keine realistischen Ansichten, nur Ränder und Umrisse werden angedeutet. Dem Augenschein nach rechnet es korrekt. Auf dem Bildschirm erscheint der Quader mit einem, zwei oder drei Fluchtpunkten, von oben, von unten und von der Seite, aus der Nähe, aus der Ferne – Ansichten, wie man sie aus dem Lehrbuch kennt.  Aber wie ist es mit ungewöhnlichen Perspektiven? Auch sie sollten richtig wiedergegeben werden. Zum Beispiel Straßen mit starkem Gefälle und/oder großer Steigung  – und solche gibt es in San Francisco zuhauf. Zum Test wählen wir die Greenwich Street in der North Beach Area, eine Parallelstraße der bekannten Lombard Street.

 

Das Foto zeigt den Blick entlang der Greenwich St. , vom Pioneer Park auf dem Telegraf Hill hinüber zum Russian Hill. Der Pioneer Park liegt auf einer Höhe von etwa 60 m. Von hier aus geht es, mit Unterbrechungen durch die Querstraßen Grant und Stockton, bergab zur Powell St. Wir befinden uns jetzt auf  einer Höhe von ca. 20 m. Auf diesem Niveau bleibt die Greenwich St. bis zur Taylor St. (und kreuzt dabei die Columbus Avenue). Danach steigt sie wieder an bis zur Hyde St., die hier am Lombard St. Reservoir vorbeiführt. Der Wasserspeicher liegt an der Leavenworth St. auf einer Höhe von etwa 100 m – und damit ungefähr 40 m oberhalb des Kamerastandortes.

Greenwich St_SF_Fluchtlinien_und_ BildDieses Höhenprofil erhält das Programm als Eingabendaten. Ausgeben soll es die Ränder der Greenwich St. und, bis zur Kreuzung mit der Grant St., auch eine Andeutung der Dachhöhen der Häuser. Das zweite Bild zeigt,  was der Computer errechnet hat. Es sieht vernünftig aus. Die Dachhöhen- und Bodenlinien der Häuser im Vordergrund habe ich bis zu ihrem Fluchtpunkt verlängern lassen (rote Linien). Der liegt erwartungsgemäß sehr weit unten im Bild (Andere Fluchtpunkte sollte das Programm der Übersichtlichkeit halber nicht einzeichnen). Der Horizont ist die grüne waagerechte Linie im oberen Viertel des Bildes.  Vergrößert man das Foto, sieht man, dass er mit dem Niveau der Leavenworth St. zusammenfällt. Die verläuft dort in etwa 60 m Höhe – Horizont und Kamerahöhe stimmen also überein, wie es die Perspektive  verlangt. Fazit: wenn sich jetzt noch bugs im Code aufhalten, haben sie sich gut versteckt. Der Computer rechnet mit großer Wahrscheinlichkeit richtig.

Ein Abriss der Mathematik, nach der das Computerprogramm arbeitet, hier.

Eulers Primzahlpolynom

Setzt man im Term x2 x + 41 nacheinander x = 1, 2, 3, usw. bis x = 40, so erhält man die Zahlen 41, 43, 47, 53, usw. bis 1601, die allesamt Primzahlen sind. Dasselbe gilt für den Term x2 + x + 41 und x = 1, 2, 3, usw. bis x = 39. Das war schon Euler1 (1772) bekannt. Der Term wird deshalb auch nach ihm benannt (Eulersches Primzahl-Polynom). Für Werte x > 40 liefern er zwar keine ununterbrochene Folge von Primzahlen, aber immerhin etwa 7mal mehr als ein Zufallsgenerator, der vergleichbar große Zahlen erzeugt2. Man kann diese Eigenschaft grafisch darstellen. Die Idee dazu ist der „Primzahlteppich“, eine mathematische Spielerei, die von Bartolomé, Rung und Kern in ihrem Buch über Zahlentheorie beschrieben wird3.

 

Euler_Primzahlteppich_01

Deren Primzahlteppich ist ein Koordinatengitter, in dem diejenigen Punkte (x, y) markiert werden, für die beispielsweise die Summe x + y, das Produkt xy oder irgendein anderer Rechenterm T(x, y) eine Primzahl ist. Die Abbildung zeigt den von mir gefundenen Teppich, der die Primzahlen des Eulerschen Polynoms zu Tage treten lässt. Er wird von T(x, y) = x2 + y erzeugt. „Normale“ Primzahlen sind durch graue Karos gekennzeichnet, Eulersche durch Färbung in Magenta hervorgehoben. Man erkennt eine Häufung der grauen Karos, d. h. der „normalen“ Primzahlen, auf Streifen in Richtung der Haupt- und Nebendiagonalen (und auf einigen Parallelen zur x-Achse). Wie erwartet, liegen auch die Eulerschen Primzahlen auf Diagonalen: Der magenta gefärbte Streifen, der in der unteren Hälfte am linken Rand beginnt und unter 45° nach rechts unten verläuft, entspricht der Gleichung y = 41 – x. Setzt man dieses y in den Term T(x, y) = x2 + y  ein, entsteht das Eulersche Polynom P(x) =  x2x + 41. Ersetzt man x durch  – x, entsteht P(x) =  x2 + x + 41. Diesem Polynom entspricht der magentafarbene Streifen, der unter 45° nach rechts oben verläuft. Die Grafik zeigt, dass beide Streifen für x ≦ 40 keine Lücken haben, also ausschließlich aus Primzahlen bestehen. Für  x > 40 ist die überdurchschnittlich große Häufung der Primzahlen auf dem oberen Ast deutlich zu sehen.

1 Euler, Leonhard, zitiert in http://de.wikipedia.org/wiki/Primzahl.
2 Hardy, Godfrey H.  und  John E. Littlewood,  zitiert in http://en.wikipedia.org/wiki/Ulam_spiral.
3 Bartolomé, Andreas, Josef Rung und Hans Kern: Zahlentheorie für Einsteiger (Vieweg 1995). Siehe auch meine eigenen Primzahlteppiche.