Kategorie: Verschiedenes
Nachtrag zur Adventszeit – Herrnhuter Stern
Beim weihnachtlichen Stöbern im Internet stoße ich auf einen Artikel von J. Böhm1, der ein Derive-Programm zum Zeichnen des Herrnhuter Sterns beschreibt. Für mich ein Anlass, dasselbe mit Maple zu versuchen, der Software, die ich als Mathematik-Programm benutze. Dieser Versuch dauerte länger als geplant – ich hatte lange nicht mehr mit dem Maple-System gearbeitet und vieles vergessen.
Zunächst lernte ich, dass der Rumpfkörper des Sterns ein archimedischer Körper ist, also ein konvexer Vielflächner, dessen Seitenflächen regelmäßige Vielecke sind und dessen Ecken sich zueinander gleich verhalten. Der Rumpfkörper des Herrnhuter Sterns ist ein Rhombenkuboktaeder. Seine Oberfläche besteht aus 18 Quadraten und 8 gleichseitigen Dreiecken. Jeweils drei Quadrate und ein Dreieck bilden eine Raumecke, und jeweils 8 Kanten sind Kanten eines regelmäßigen Achtecks. Insgesamt gibt es sechs dieser Achtecke. Die Zacken des Sterns entstehen, indem man auf jeder Seitenfläche des Rumpfkörpers eine gerade Pyramide errichtet, insgesamt also 18 quadratische Pyramiden und 8 Pyramiden mit der Grundfläche eines gleichseitigen Dreiecks.
Zum Zeichnen der Pyramiden benötigt man die Koordinaten der Eckpunkte des Rumpfkörpers – sie bilden die 18 Quadrate und 8 Dreiecke der Pyramiden-Grundfläche – und die Koordinaten der jeweiligen Pyramidenspitze. Da der Rhombenkuboktaeder zu jeder seiner Mittelachsen drehsymmetrisch ist, genügt es, die Eckpunktkoordinaten einer Seitenfläche zu ermitteln und diese Koordinaten einer Drehung um die passende Achse zu unterwerfen. Um die Koordinaten der jeweiligen Pyramidenspitze zu erzeugen, errichten wir über dem Mittelpunkt der Seitenfläche die Flächennormale. Diese Gerade bringen wir zum Schnitt mit einer Kugel von frei wählbarem Radius. Die Abbildung zeigt die Zeichnung, das Foto einen realen Herrnhuter Stern. Mehr zur Rechnung und zum Programmcode.
1 Josef Böhm, Der Herrnhuter Stern, nojo.boehm@pgv.at
»Spectroscopy of Light Nuclei…« – Kernphysik vor fünfzig Jahren
In meinem ersten Beruf war ich Physiker und in der Forschung tätig. Ich arbeitete in einer Gruppe von Wissenschaftlern am Institut für Kernphysik der Technischen Hochschule (heute »Technische Universität«) Darmstadt. Unser Forschungsgebiet war die Streuung von Elektronen an Atomkernen. Die Elektronen lieferte der Elektronen-Linearbeschleuniger (»Dalinac«) des Instituts. Ein ehemaliger Teamkollege erinnerte mich kürzlich an einen wissenschaftlichen Artikel¹, den ich seinerzeit geschrieben hatte – vor genau fünfzig Jahren. Er zitiert ihn in einer seiner eigenen Arbeiten². Mein Artikel war ein Review, das heißt, eine Zusammenfassung von damals vorliegenden Forschungsergebnissen. Die meisten stammten aus dem Darmstädter Institut. Angeleitet und wissenschaftlich betreut wurden wir vom Direktor des Instituts, Professor Peter Brix.
Ich habe der Forschung den Rücken gekehrt, mein Kollege ist ihr treu geblieben. Er lehrt heute an der Universität Mainz und betreibt weiterhin Elektronenstreuung – mit wesentlich modernerem Equipment als damals. Peter Brix, unser akademischer Lehrer verbindet uns. Ich verdanke ihm meine Begeisterung für Physik, auch wenn ich sie später auf niedrigerem als Hochschulniveau betrieben habe. Er sollte deshalb nicht in Vergessenheit geraten: Das Foto zeigt Peter Brix bei einem Vortrag über Elektronenstreuung – beachte seinen makellosen Tafelanschrieb.
Ich persönlich erinnere mich mit Dankbarkeit an die Zeit in Darmstadt. Die Arbeit am Institut für Kernphysik gehört zu den angenehmsten beruflichen Erfahrungen, auf die ich zurückblicke – sowohl in wissenschaftlicher als auch menschlicher Hinsicht.
1 H. Theissen: »Spectroscopy of Light Nuclei by Low Energy (< 70 MeV) Inelastic Electron Scattering«, Springer Tracs in Modern Physics, Vol. 65 (1972)
2 S. Kegel et al.: »Measurement of the α-particle monopole transition form factor challenges theory: a low-energy puzzle for nuclear forces?«. Wann und in welcher Fachzeitschrift der Artikel erschienen ist, weiß ich nicht. Der ehemalige Teamkollege, jetzt an der Universität Mainz, ist Professor Th. Walcher, einer der Autoren dieses Artikels
Tod dem (Geigen-)Wolf
Beim Stöbern im Netz stoße ich auf das Stichwort »Wolfston«. Das Thema gibt leider nichts her für physikalische (Hobby-)Experimente, dazu benötigt man professionelles Equipment. Ich finde es aber interessant. Also schaue ich nach, was die Literatur zum »Wolf« zu sagen hat. Dabei ist einiges hängen geblieben, vielleicht ist es auch für Andere von Interesse.
Ein »Wolf« ist der jaulende, flatterhafte Ton, den eine Geige, ein Cello oder ein anderes Saiteninstrument beim Spielen einer bestimmten Note erzeugt. Er entsteht, so liest man, wenn der Korpus des Instruments in Resonanz mitschwingt und eine Schwebung mit dem gespielten Ton hervorruft. Der Resonanzkörper ist für ein Saiteninstrument unerlässlich: Eine gestrichene oder gezupfte Saite wäre ohne ihn nicht hörbar. Mehr über die Korpusresonanzen einer Geige hier.
Eine Geige wird offenbar nur selten von einem Wolf befallen, bei einem Cello aber stört er. Man unterdrückt ihn, indem man auf dem Teil der Saite zwischen Steg und Saitenhalter (der »Nachlänge« der Saite) eine kleine Zusatzmasse anbringt. Sie wiegt einige Gramm und besteht beispielsweise aus einem Metallröhrchen, das innen mit einer Gummi-Manschette ausgekleidet ist und mit einer Schraube auf der Nachlänge befestigt wird (Foto). Das winzige Gebilde hat den Namen »Wolftöter«, weniger gewalttätig klingt »Wolfstimmer«.
Aus der Literatur entnehme ich, dass der Wolfstimmer im Prinzip ein raffiniert abgestimmter mechanischer Schwingungstilger ist (engl. »Tuned Mass Damper«). Dieses rein theoretische Objekt hat mit dem Metallröhrchen auf der Saiten-Nachlänge zunächst nichts zu tun. Ein mechanischer Schwingungstilger besteht aus zwei Massen, einer größeren und einer kleineren. Die größere ist die der »Struktur«, deren Bewegung (»Schwingung«) gedämpft werden soll. Die kleinere Masse ist der Dämpfer oder »Tilger«. Struktur und Tilger sind durch eine Schraubenfeder elastisch gekoppelt und schwingen mit fast gleicher Frequenz. Parallel zur Schraubenfeder wirkt ein Dämpfungszylinder, dessen Dämpfungsgrad so eingestellt wird, dass die Schwingungsamplitude der Struktur stark vermindert wird: Ihre Resonanzkurve hat statt des üblichen Peaks ein flaches Dach niedriger Höhe, oft mit einer kleinen Einsattelung. Der Zwei-Massen-Schwingungstilger ist ein interessantes Thema der Schwingungslehre. Ich habe ihn einmal Schritt für Schritt durchgerechnet. Hier mehr darüber.
Inwiefern das Prinzip des Schwingungstilgers bei einem Saiteninstrument zur Anwendung kommt, ist in einem Artikel von Gidion1 erläutert. Soweit ich diesen verstanden habe, verscheucht man den Wolf wie folgt: Man erzeugt beim Spielen des zum Wolf neigenden Tons eine weitere Schwingung, deren Frequenz nur wenige Hertz neben der Wolfsresonanz liegt (der Korpusresonanz, die beim Wolf mitschwingt). Dazu stimmt man die Nachlänge der Saite, auf der sich der Wolfstimmer befindet, auf diese Frequenz ab. Bei einer Geige haben die zum Wolf tendierenden Resonanzen Frequenzen zwischen 450 und 550 Hz. Der Wolfstimmer ist in der Regel auf der Nachlänge der G-Saite angebracht. Die Saite selbst schwingt mit der Grundfrequenz 196 Hz. Ihre Nachlänge beträgt etwa 1/6 der Saitenlänge und schwingt daher mit sechsfach höherer Frequenz. Das sind 1176 Hz (und damit zwei Oktaven und eine Quinte höher als 196 Hz, denn 196×22×(3/2) Hz = 1176 Hz). Der Wolfstimmer senkt diese (Resonanz-)Frequenz beträchtlich, so dass man so in den Bereich um 500 Hz gelangt. Mit etwas Glück trifft man die Frequenz, die den Wolf dämpft.
Ein Beispiel dafür liefert Schleske2: Er regt die Korpusschwingungen einer Geige durch seitliches Klopfen gegen den Steg an, misst deren Intensität und zerlegt das registrierte Signal nach Fourier. Das Spektrum zeigt zwei Peaks bei etwa 430 und 510 Hz, einmal ohne, das andere Mal mit Wolfdämpfer. (Die ebenfalls sichtbaren Resonanzen oberhalb 1000 Hz interessieren hier nicht.) Deutlich erkennbar ist: Der 510-Hz-Peak wird im Bereich seines Schwerpunkts durch den Dämpfer scharfkantig3 »aufgeschlitzt«. Die Intensität geht an dieser Stelle um etwa zwei Zehnerpotenzen (–20 dB) zurück. Die Absenkung der Resonanzfrequenz einer schwingenden Saite durch die fast punktförmige Masse des Wolfstimmers ist ein weiteres physikalisches Phänomen, mehr darüber hier.
Bemerkungen zum Foto: (1) Der Wolfstimmer auf der G-Saite meiner Geige ist eigentlich überflüssig, er sitzt dort nur des Fotos wegen. (2) Erst vor kurzem ist mir aufgefallen: die Nachlänge der Saiten ist kürzer als normal. Ich habe das Instrument vor Jahren als leicht beschädigte, aber wieder instandgesetzte Geige gekauft. Bei der Reparatur wurde vermutlich der Saitenhalter einer Bratsche eingebaut.
1 Gidion, G.: Akustische Resonatoren zur Analyse und Kontrolle von Schwingungsfähigen Systemen am Beispiel von Streichinstrumenten und Dielektrischen Elastomeraktoren, https://publishup.uni-potsdam.de › index › index › docId
2 Schleske, M.: Auf Wolftonjagd, Auszug aus: Handbuch Geigenakustik der website www.schleske.de (2003)
3 Die Kurve erinnert an den Frequenzgang eines Notch-Filters (Elektrotechnik).
Klever Fluchtlinien (Nachtrag)
In den »Klever Fluchtlinien« ging es um des Test eines Computerprogramms, das (zentral-)perspektivische Darstellungen in einer Bildebene (Leinwand oder Zeichenkarton) berechnet. Der Blick vom Obelisken auf dem Klever Springenberg in Richtung Hoch Elten war dasTestobjekt: Die Perspektive entlang dieser Sichtachse sollte vom Computerprogramm wiedergegeben werden. Das war auch der Fall: Der »vanishing point« der Fluchtlinien lag genau dort, wo er geografisch liegen sollte – wenige Meter unterhalb der Kirche St. Vitus in Hoch Elten.
Den Eltener Hügel mit der Kirche habe ich vor einigen Tagen besucht. Dort ist die Skulptur »Stein Tor« des Bildhauers Christoph Wilmsen-Wiegmann nicht zu übersehen: Zwei riesige, parallel aufgestellte Basaltpfeiler lassen einen schmalen Spalt offen, hinter dem, aus Richtung Kleve betrachtet, der Kirchturm von St. Vitus erscheint. Das also ist er – der »Fluchtpunkt«. Dazu, im Boden eingelassen, ein länglicher Steinquader, der die Richtung der Sichtachse markiert.
Die Achse ist übrigens eine grenzüberschreitende Europäerin: sie durchquert niederländisches und deutsches Gebiet. Die acht Kilometer lange Sichtstrecke ist außerdem durch eine Reihe von Skulpturen kulturell aufgeladen.
Klever Fluchtlinien
Vom Kriegerdenkmal auf dem Klever Springenberg sieht man bei gutem Wetter, durch eine Schneise im Wald blickend, am fernen Horizont den Kirchturm von St. Vitus in Hoch-Elten. In der Sichtlinie zur Kirche liegt im Vordergrund das von Bäumen gesäumte Wasserbecken eines Kanals, den Johann-Moritz von Nassau-Siegen seinerzeit anlegen ließ.
Schaut man etwas genauer hin, bemerkt man, dass sich die Fluchtlinien der Kanalufer und die der Baumreihen links und rechts des Wasserbeckens am Ort der Eltener Kirche treffen – eine, wie man liest, von Johann-Moritz gewollte Landschaftsgestaltung in Form einer Sichtachse. Für mich eine Gelegenheit, mein Java-Programm Zentralperspektive nochmals zu testen. Einen ersten Test hatte es schon bestanden: Der Blick in eine abschüssige und in der Ferne wieder ansteigende Straße in San Francisco wurde perspektivisch richtig wiedergegeben. Im vorliegenden Fall ist die Situation ähnlich. Das Gelände längs der Sichtlinie fällt zunächst ab, verläuft dann im Bereich des Kanals und der Rheinebene in der Horizontalen, und steigt erst nach mehreren Kilometern bis auf die Höhe des Eltener Berges wieder an.
Zum Test lasse ich das Programm die perspektivische Ansicht des Kanals und die der Baumreihen links und rechts des Kanals berechnen – und, unabhängig davon, die Lage des Bildpunktes der Eltener Kirche. Der Kanal wird durch ein langgezogenes Rechteck angenähert, mit zur Sichtlinie parallelen Längsseiten.
Das Programm benötigt als Eingabedaten die Eckpunkte des Kanal-Rechtecks und die Lage der Kirche in der realen Welt. Es verarbeitet die Daten nach den Gesetzen der Zentralperspektive und gibt die folgenden, in das nebenstehende Foto hineinkopierten geometrischen Gebilde aus: die Umrisse des Kanals (ein zum Trapez perspektivisch verkürztes Rechteck), die Linien der Baumreihen links und rechts des Kanals und die Lage des Bildpunktes der Eltener Kirche (rotes Kreuz). Die horizontale blaue Linie kennzeichnet die Höhe, in der sich der Wasserspiegel des Rheins befinden müsste. Die in das Foto zusätzlich hineinkopierten grünen Linien sind die Achsen eines Koordinatensystems, deren Schnittpunkt der Durchstoßpunkt der Sichtlinie durch die Bildebene ist (Augenpunkt). Die horizontale Achse dieses Systems ist der Horizont.
Die Längsseiten des Kanal-Rechtecks und die Linien der Baumreihen werden verlängert und treffen sich in einem gemeinsamen Fluchtpunkt. Dieser liegt, da die Linien in der realen Welt parallel zur Blickrichtung und horizontal verlaufen, im Augenpunkt auf dem Horizont. Wie zu erwarten liegt dort, zumindest in grober Näherung, auch der Bildpunkt der Eltener Kirche (rotes Kreuz). Genau genommen liegt der Bildpunkt auf der Senkrechten durch den Augenpunkt, und zwar minimal (und daher kaum erkennbar) oberhalb des Horizonts, da die Kirche in der realen Welt einige Höhenmeter mehr als der Kamera-Standort aufweist.
Das Foto zeigt im Übrigen, dass der Kamera-Standort in horizontaler Richtung nicht exakt in Kanalmitte liegt. Der Kanal wurde deshalb etwas weiter nach links verschoben (durch Änderung der X-Koordinaten seiner Eckpunkte). Berechnung und Foto stimmten danach besser überein, exakte Deckungsgleichheit ließ sich nicht herstellen. Die (kleine) Korrektur äußert sich in der seitlichen Verschiebung der vertikalen grünen Koordinatenachse gegenüber der Mitte des Kanals – und gegenüber der Statue vorne im Bild (Balkenhols »Neuer Eiserner Mann«).
Insgesamt betrachtet, gibt es zwar kleine Abweichungen zwischen Theorie und Praxis, beispielsweise zwischen dem im Foto abgebildeten und dem theoretisch berechneten Kanalufer. Aber abgesehen davon wird die reale Welt durch das Programm richtig in die Bildebene transformiert. Das Programm hat einen weiteren Test bestanden. Eine ausführlichere Beschreibung des Tests hier.
Es gibt im Übrigen in Kleve weitere Schneisen, Wege und Alleen, die auf markante Bauwerke oder Landschaftspunkte ausgerichtet sind, beispielsweise die „Galleien“ in der Ebene des Kermisdal-Bogens. Sie wurden auch von Johann-Moritz angelegt.
Batschkapp
Merk dir doch einfach „Batschkapp”. Wie bitte? – Mich hat es zum Studium vom Niederrhein nach Hessen verschlagen und ich tüftele zusammen mit Gleichgesinnten an einer Übung in Vektorrechnung. Der Ratschlag des Kommilitonen ist gut gemeint, aber er spricht eine mir fremde Sprache. Es geht um das Kreuzprodukt dreier Vektoren. Die Vektoren A, B und C, miteinander kreuzmultipliziert, ergeben B mal Skalarprodukt von A und C minus C mal Skalarprodukt von A und B. Als Formel geschrieben A×(B×C) = B(A·C) – C(A·B). Mit „Batschkapp” ist offenbar die rechte Seite der Gleichung gemeint1. Ich buchstabiere also „B” = B, „a” = A, „tsch” = C, „k” = C, „a” = A und schließlich „pp” = B. Macht tatsächlich Sinn und half damals bei Klausuren enorm.
Und nun zur Bedeutung: Batschkapp – eine Kappe, die man sich über den Schädel „patscht”, um das Haupt vor unfreundlichem Wetter zu schützen? Ich war mir nicht sicher. Als Eselsbrücke spielte die Bedeutung ja auch keine Rolle (damals lebte Ms. Google noch nicht). Heutzutage ist klar: „Batschkapp” heißt in Mainfranken die Schiebermütze (Wikipedia). Auch in Südhessen spricht man diese Sprache. Denn ich lese mit großer Rührung in Rainer Witts Büchlein „Wenn’s dreimal pfeift, gibt’s Ärger – Geschichten und Anekdoten aus Darmstadt”, dass Papa Behrend vom Knusperhäuschen in der Dreibrunnenstraße eine „Batschkapp” besaß. Die setzte er immer dann auf, wenn er den Hof zwischen Küche und Gaststube überquerte. Das kann ich bestätigen: Als Student war ich, wiederum mit Gleichgesinnten, oft im Knusperhäuschen. Ein Höhepunkt des Abends war Papa Behrends Performance beim Nachfüllen unserer Gläser: Er nahm die Flasche (Wein der Hausmarke „von Woellm”), brachte sie über dem Glas blitzschnell in die Senkrechte, Öffnung nach unten, und unterhielt sich mit uns über das Wetter. Es gluckerte kurz, aber intensiv, und nach dem Wetterbericht war das Glas voll und die Flasche wieder in Normallage – eine Sache von Sekunden. Es gab Abende, da hörten wir den Wetterbericht mehrmals. Hätte ich damals Papa Behrends Kappe vor Augen gehabt, wäre die Vektorrechnungsklausur vielleicht besser ausgefallen.
1 Die Variante (A×B)×C = B(A·C) – A(B·C) ist leider nicht „Batschkapp”-kompatibel.
Finnland und Schweden – 1958 mit den Pfadfindern
Ein Nachtrag zu dem Rückblick auf eine Fahrt nach Finnland und Schweden (Torneträsk 1958), an der ich als Pfadfinder teilnahm. Wir zelteten eine Woche auf einer Insel in einem See in Finnland und fuhren danach in den Norden Schwedens, um dort zu wandern. Das Foto entstand bei dieser Wanderung, irgendwo zwischen Kiruna und Abisko.
Die Dias, die damals gemacht wurden, habe ich jetzt digitalisieren lassen. Hier eine kleine Auswahl:
2020 – das Jahr mit dem Pfiff
Eine etwas skurrile Performance: Wir beginnen das neue Jahr mit einem mit den Lippen erzeugten Pfeifton der Tonhöhe (Frequenz) von genau 2020 Hertz (typischer Einfall eines Physikers). In meinem PC ist, wie üblich, ein Mikrofon eingebaut, dessen Signal in einer Soundkarte digitalisiert wird. Das digitalisierte Signal wird nach der Tonhöhe sortiert (Fourier-analysiert) und das Spektrum der Tonhöhen auf dem Bildschirm dargestellt. In dieser Anordnung lässt sich die Frequenz des Pfeiftons messen. Ich beobachte also, während ich drauflos pfeife, das Tonhöhengebirge auf dem Computer-Bildschirm. Änderungen in der Lage von Zunge und Unterkiefer ergeben verschiedene Tonhöhen. Nach etwas Übung zeigt sich tatsächlich ein Matterhorn-ähnlicher Peak bei 2020 Hertz: Treffer (Abbildung oben). – Ein kleiner Mangel: Das Matterhorn dürfte etwas schroffer sein. Physiker bevorzugen Peaks mit steileren Flanken. Peaks mit Flanken in Eiger-Nordwand-Qualität bedeuten, dass der Ton sehr rein ist. Auch damit kann ich dienen – allerdings mit einer anderen Art der Tonerzeugung: Der Deckel meiner Edelstahl-Teekanne sieht in etwa aus wie eine Glocke und klingt auch so. Beim Anschlag mit dem (Tee-)Löffel schwingt er mit einer ganzen Reihe von gut definierten Tönen. Per Zufall entdecke ich unter ihnen auch einen mit genau 2020 Hertz. Die untere Abbildung zeigt, dass der 2020 Hertz-Peak der Teekannendeckelglocke sehr viel schlanker ist der mit den Lippen erzeugte.
Ein Maß für die Schlankheit eines Ton-„Gebirges” ist der Quotient aus der Frequenz des Tons und der Breite des Peaks, bei der die Leistung auf den halben Wert des Maximums abgefallen ist. Dieser Quotient wird Güte Q (des schwingenden Systems) genannt. Ohne auf die Physik einzugehen: In unserer Darstellung der Intensität pro Frequenzintervall in der Einheit Dezibel (dB) ist die Breite bei halber Leistung die horizontale Ausdehnung des „Gebirges” 3 dB unterhalb des Gipfels. Danach hat das gepfiffene „Matterhorn” in Abbildung 1 eine Breite von etwa 18 Hz. Daraus folgt eine Güte von Q = 2020 Hz/18 Hz = 112. Beim Pfeifen schwingt die Mundhöhle als Helmholtz-Resonator, ein Q-Wert von etwa 100 erscheint in diesem Fall plausibel. Der Peak meiner Teekannendeckel-„Glocke” mit seinen „Eiger-Nordwand”-Flanken (Abbildung 2) hat eine Breite von rund 5,8 Hz und ergibt Q = 2020 Hz/5,8 Hz = 348, ein gegenüber dem Pfeifton dreifach größerer Wert. Der Q-Wert einer Kirchenglocke ist offenbar noch einmal um einen Faktor 3 bis 5 größer: Das mir vorliegende Spektrum1 eines Glockentons der Frequenz 697,5 Hz zeigt beispielsweise eine 3dB-Breite von 0,65 Hz, also Q = 1073. Eine andere Arbeit2 nennt Q-Werte von 1300, 1000 und 2000 bei den Frequenzen 624 Hz, 981 Hz bzw. 1310 Hz.
Als Kurzwellen-Amateur fühle ich mich natürlich verpflichtet, die Zahl 2020 auch im Kilohertz-Bereich zu realisieren: Hier die Beschreibung eines HF-Kreises aus Kondensator und Spule, der mit der Frequenz 2020 kHz schwingt.
1 J. Bauer: Ursachen des Missklangs von Glocken. Diplomarbeit, Fachhochschule Heidelberg, Fachbereich Informatik, Studiengang Elektrotechnik und md-pro GmbH Karlsruhe, Heidelberg 2003.
2 J. Woodhouse et al.: The Dynamics of a Ringing Church Bell, Advances in Acoustics and Vibration, Volume 2012, Article ID 681787, doi:10.1155/2012/681787