Am Ende eine Korrektur

Orgel_Divi_Blasii_02Die Pfeife einer Orgel bringt einen Ton hervor, weil die Luftmoleküle sich in ihrem Innern hin- und herbewegen und dabei örtlich Verdichtungen und Verdünnungen der Luft erzeugen. Diese dringen nach Außen und gelangen als Schallwellen an unser Ohr. Eine Orgelpfeife ist im Prinzip ein langgestrecktes Rohr. Wenn man berechnen will, welchen Ton das Rohr hervorbring, macht man üblicherweise die Annahme, dass an seinen Enden der Dichte- oder Druckunterschied zur Außenluft Null ist. Die Schwingung hat, wie man sagt, an den Enden des Rohrs einen Knoten.  Aber eben diese Annahme ist physikalisch fragwürdig. Sie bedeutet, dass die Luftmoleküle „draußen“ von der Schwingung im Innern der Pfeife in keiner Weise „mitgerissen“ werden. Das heißt, die Pfeife würde keinerlei Schall abstrahlen.

Zu erklären, wie eine Pfeife Schall abstrahlt, ist kein triviales Problem. Eine aufwändige Rechnung ergibt, dass die Luftmoleküle, vereinfacht ausgedrückt, über die Enden des Rohrs hinausschwingen und so der Schall nach draußen getragen wird. Das heißt, die Pfeife ist effektiv länger als mit dem Maßband gemessen. Levine und Schwinger¹ berechneten, dass die Verlängerung je Ende etwa das 0,6-fache des Rohrradius beträgt. Diese Zahl ist die berühmte Endkorrektur.  Man muss sie berücksichtigen, wenn man aus der Länge der Pfeife die Höhe des Tons berechnen will, der abgestrahlt wird. Die Endkorrektur lässt sich mit einfachen Mitteln experimentell bestimmen. Details hier.

Foto: Orgel der Kirche Divi Blasii in Mühlhausen/Thüringen, gebaut nach einem Entwurf von Johann Sebastian Bach

¹ Levine, H. und J. Schwinger, Phys. Rev. 73, 383 (1948)

 

Nationalpark mit Wüstung

CIMG8352_MDie Wüstung heißt Wollseifen und liegt auf der Dreiborner Hochfläche in der Nordeifel. Deren Geschichte ist sicher bekannt, deshalb nur ganz kurz: Das Dorf Wollseifen musste im September 1946 geräumt werden. Dort und auf dem umliegenden Gelände legte die britische Armee einen Truppenübungsplatz an, der 1950 an das belgische Militär übergeben wurde. Meine Erinnerung daran ist noch lebendig, weil es damals Sperrgebiet war: Ich leitete in den fünfziger Jahren eine Pfadfindergruppe, die auf ihren Wandertouren durch die Eifel Umwege um das „Camp Vogelsang“ einlegen musste.

Anfang des Jahres 2006 wurde der Übungsplatz aufgegeben und in einen Nationalpark umgewandelt. Der ist seitdem für die Öffentlichkeit zugänglich. Die Wege, die damals „off limits“ waren, bin ich jetzt (nach mehr als sechzig Jahren) gegangen. Dabei entstanden diese Fotos:

Der Dipol – Strahlung mit Gewinn

Jeder Hochfrequenz-Profi (damit meine ich insbesondere meine Amateurfunkfreunde) kennt das Strahlungsdiagramm eines λ/2-Dipols. Aber gemessen haben es die wenigsten. Das nebenstehende Diagramm zeigt das Ergebnis einer eigenen (unvollständigen) Messung, ich entdeckte es vor kurzem in meinen Unterrichtsaufzeichnungen aus grauer Vorzeit.

Offenbar reichte die Zeit nicht aus, das vollständige Diagramm zu messen. Hier könnte also experimentell noch nachgebessert werden. Bis es dazu kommt, dachte ich, ist eine Beschäftigung mit der Theorie nicht unvernünftig. Erste Möglichkeit, mich kundig zu machen, waren meine Notizen zur Vorlesung „Elektrodynamik“ (aus dunkelgrauer Vorzeit). Die waren noch erstaunlich gut lesbar1, ergaben aber Nachholbedarf in Sachen Vektorpotential und Lorenz-Eichung. Die Bücher von Griffiths und Jackson2 halfen da weiter. Beim Studium dieser Werke entdeckte ich, dass man sogar den Gewinn des λ/2-Dipols gegenüber dem isotropen Strahler, also die rätselhaften 2,15 dBi, herleiten kann. Aber wie so oft, hieß es mehrfach: „Wie man leicht nachrechnet, ergibt sich ….“. Diese Lücken habe ich versucht, aufzufüllen. Hier das Ergebnis meiner zwei „Ausarbeitungen“ –  eine zum (idealen) Hertzschen Dipol und eine andere zum λ/2-Dipol.

 

1 Das spricht für meine saubere Handschrift und Prof. Scherzers glasklaren Tafelanschrieb. Professor Scherzer las damals die Theoretische Physik an der TH Darmstadt. Der Tafelanschrieb startete am Anfang der Vorlesung in der linken oberen Ecke der Tafel, schlängelte sich ohne aufwändige Gliederung unter Ausnutzung der gesamten Tafelbreite zeilenweise nach unten und erreichte zeitgleich mit dem Ende der Stunde die rechte untere Ecke. Die jederzeit verfügbare Darstellung des Unterrichtsstoffs erlaubte es, beim Mitschreiben auf Schönschrift zu achten.

2  David J. Griffiths, Elektrodynamik – Eine Einführung, 3. Auflage, Pearson Studium, München 2011, und  John D. Jackson, Classical Electrodynamics, J. Wiley, New York 1962

Balmer & Co

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Physik muss ich nicht mehr unterrichten. Meine Unterrichtsunterlagen sind entsorgt, nur einen Teil habe ich aus sentimentalen Gründen aufbewahrt. Beim Stöbern in den vergilbten Blättern fielen mir zwei Farbfotos in die Hände – von mir aufgenommene Linienspektren, die meine Schüler(innen) damals auswerten mussten (Klausuraufgabe). Die Fotos sind keine Meisterwerke, aber sie einfach wegzuwerfen wäre schade. Deshalb eine kurze Nachlese.

 

Das Foto zeigt die Spektren des Wasserstoffs (unten) und des Heliums (oben). Die weiße Linie links ist das Bild der Lichtquelle in Vorwärtsrichtung. Das Helium-Spektrum sollte zur Eichung herangezogen werden. Im Spektrum des Wasserstoffs sind die Balmer-Linien Hα, Hβ und Hγ sichtbar.

Transmission und Reflexion

Fontainebleau_Resort_Hotel_Las_VegasGlas lässt Licht hindurchtreten (das ist die Transmission) und/oder wirft es zurück (dann spricht man von Reflexion*). Die Physik dazu interessiert uns hier ausnahmsweise nicht, wir betrachten Beispiele aus der Architektur, bei denen Glas und Licht im Spiel sind. Die Fotos sind nicht das Ergebnis gezielter Suche, sie entstanden eher beiläufig.

Nebenstehendes Bild: In der Glasfassade des Fontainebleau Resort Hotels (einer Bauruine) in Las Vegas  spiegelt sich das Nachbar-Hochhaus.

 

 * Pardon, hier spricht wieder einmal der Lehrer. Wer auch noch wissen will, woher die beiden Wörter Transmission und Reflexion stammen, schaut im Wörterbuch nach:  transmittere (lat.): hinüberschicken, hinüberbringen;  reflectere (lat.): rückwärts biegen, zurückdrehen, zurückwenden

Doppelbrechung

Tesafilmstreifen_Doppelbrechung_02Wir kleben Streifen einer Klebefolie (Tesafilm) parallel versetzt auf das Glas eines Dia-Rähmchens. Dadurch entstehen Bereiche unterschiedlicher Dicke des Folienmaterials. Das Glas halten wir zwischen zwei (mehr oder weniger) gekreuzte Polarisationsfilter – und sehen die Folienstreifen in verschiedenen Farben aufleuchten (Foto). Der Effekt ist bekannt, und wir wissen auch, wie er zustande kommt: Die erste Polarisationsfolie erzeugt linear polarisiertes Licht. Dieses wird aufgrund der doppelbrechenden Eigenschaft der Klebefolie zu elliptisch polarisiertem Licht. Die Orientierung der Ellipsenachsen ist von der Dicke des Materials und der Wellenlänge des Lichtes abhängig. Die zweite Polarisationsfolie wirkt als Analysator, der je nach Ausrichtung Licht einer Wellenlänge hindurch lässt, Licht anderer Wellenlänge unterdrückt.

Hier ist also Doppelbrechung im Spiel – die Theorie dazu ist interessant, aber mit etwas Rechnen verbunden.

Zufalls-Grafiken: Linie und Fläche 2.0

2015_04_18_Polygone_14

Mein Computer hat sich zum Thema „Alles Zufall: Linie und Fläche“ etwas Neues ausgedacht. Er zeichnet jetzt an Stelle der Quadrate, Rechtecke und Kreise zufallsgesteuerte Vielecke (Polygone) und füllt diese mit Farben aus. Position und Größe der Vielecke (und die Anzahl der Ecken) werden wiederum mit Hilfe eines Zufallszahlengenerators bestimmt.

Man erhält Grafiken, die an Glasfenster erinnern. Hier einige Beispiele.

Sonnenstrahlung

Aufbau_Messung_SolarkonstanteSelbst an einem kalten Wintertag wärmt uns die Sonne durch ihre Strahlung – sofern sie am Himmel steht. Der Physiker möchte nicht nur wissen, ob die Sonne strahlt, sondern auch wie stark sie das tut. Die Größe, in der man das ausdrückt, heißt Bestrahlungsstärke. Sie gibt an, mit welcher Leistung pro Quadratmeter (Kilowatt/m2) die Strahlung die Erde trifft. Die Zahl selbst heißt Solarkonstante.

Das Foto zeigt eine Anordnung, mit der man diese Größe messen kann. Ausführliche Beschreibung des Experiments.

 

 

 

 

 

Die kleine Kraft schwerer Körper

Skizze_Versuchsaufbau_Torsionswaage

Zur Lehrerausbildung gehört die Praxis: Als angehender Physiklehrer musste ich, wie üblich, Experimente vorführen. An eines dieser Demonstrationsexperimente erinnere ich mich noch sehr gut.

Gezeigt werden sollte die Wirkung der Gravitationskraft, also der Kraft, mit der sich zwei Massen gegenseitig anziehen. Dazu benutzt man die von Coulomb erfundene und später von  Cavendish benutzte Drehwaage – ein Gerät, das wegen seiner großen Schwingungsdauer nicht ganz einfach zu handhaben ist. Links eine Skizze dieses Geräts.

Ich hatte die Drehwaage am Vortag zwei Stunden lang auspendeln lassen, damit sie in der Unterrichtsstunde am Tag darauf eine definierte Ruhelage hatte. Dann geschah die Katastrophe: