Condons Uhrenexperiment

N_Schwingungen_gekoppelter_Pendel__FrequenzenEine interessante Anwendung der Theorie gekoppelter Schwingungen wurde vor etwa 70 Jahren von E. U. Condon (in Zusammenarbeit mit P.E. Condon) vorgestellt1 – das Problem geht offenbar zurück auf eine noch ältere Arbeit von Lord Kelvin2. Es ging um die Frage, in welcher Weise der Gang einer Taschenuhr durch (Dreh-)Schwingungen ihres Gehäuses beeinflusst wird. Ein entsprechendes Experiment sollte darüber Aufschluss geben.

Das Ergebnis war, dass der Gang der Uhr in der Tat durch die Kopplung zwischen dem „Schwungrad“ des Uhrwerks (dem Unruh-Ring) und dem Gehäuse beeinflusst wird. Diese Kopplung wird durch die Spiralfeder hergestellt, die das Rückstellmoment für den Unruh-Ring liefert. Es gibt also Abweichungen im Gang der Uhr von der Zeit, die gemessen wird, wenn das Gehäuse gegen Drehung fixiert ist. Und zwar so, dass die Uhr schneller geht, wenn die Eigenfrequenz des Gehäuses kleiner ist als die der Unruh, und dass sie langsamer geht, wenn die Gehäuse-Eigenfrequenz größer als die der Unruh ist.

Das Condon’sche Uhrenexperiment faszinierte mich, als ich vor Jahren zum ersten Mal davon erfuhr. Jetzt, nach langer Zeit, ein bescheidener Versuch, die Physik des Experiments nachzuvollziehen – soweit das mit einfachen Mitteln möglich ist. Die Idee: ein Modell-Experiment mit zwei durch eine Spiralfeder gekoppelten Fadenpendeln. Keine Simulation, die wäre wegen des großen Massenunterschieds zwischen Gehäuse und Uhrwerk-Unruh zu aufwändig gewesen. Die eigenen Versuche dazu waren trotzdem interessant. In der Abbildung sind die Frequenzen f der Normalschwingungen zweier gekoppelter Fadenpendel aufgetragen, von denen eines das „Uhren“-Pendel, das andere das „Gehäuse“-Pendel darstellte. Sie sind aufgetragen als Funktion der Eigenfrequenz f1 des „Gehäuse“-Pendels.

1  E. U. Condon und P. E. Condon: Effect of Oscillations of the Case on the Rate of a Watch, A. J. Phys. 16, 14 – 16  (1948)
2  Lord Kelvin: Popular lectures and addresses, MacMillan 1894

Physik und Intuition (Normalschwingungen)

CIMG1040Zwei Gleiter auf einer Luftkissenbahn, durch eine Spiralfeder verbunden und außen durch je eine weitere Feder fixiert: Das ist der Prototyp des Versuchs Gekoppelte Pendel. Er gehört zum Pflichtprogramm im physikalischen Grundpraktikum, dort wird er meist mit Fadenpendeln realisiert. In unserem Fall (Foto) haben die Gleiter die gleiche Masse. Zwischen ihnen sind zwei parallel wirkende Federn angebracht, während die äußeren Federn Einzelfedern sind. Da alle Federn von gleicher Art sind, hat die Parallelschaltung zwischen den Gleitern gegenüber den Einzelfedern außen die doppelte Federkonstante. Eine einzelne Feder hätte auch genügt. Die gesamte Anordnung ist jedenfalls symmetrisch bezüglich der Mittelachse zwischen den Gleitern.
Die Hin- und Herbewegung (Schwingung) der Gleiter ist im allgemeinen Fall kompliziert, trotz der symmetrischen Anordnung. Zwei Arten von Schwingungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie synchron ablaufen: Eine „Gleichtaktschwingung” der Gleiter, bei der sich diese mit konstantem Abstand nach links und rechts bewegen, und eine „Gegentaktschwingung”, bei der sie sich aufeinander zu und voneinander weg bewegen1. Diese beiden Schwingungsmoden, genannt Normalschwingungen, würde man in gewisser Weise auch intuitiv „verstehen”.
Wie aber verhält es sich, wenn die Symmetrie gestört ist – etwa dadurch, dass die Gleiter unterschiedliche Masse haben? Natürlich gibt es auch dann Normalschwingungen. Aber kann man auch das „intuitiv“ verstehen? Nicht unbedingt, meine ich. Wir rechnen nach und vergleichen das Ergebnis mit dem Experiment. Mehr dazu und ein weiteres Experiment.

1 physikalisch exakt müsste man die Schwingungen der Gleiter mit „gleichphasig“ bzw. „gegenphasig“ bezeichnen

2018

2018_KratzerHintergrund 2018 ist eine unscheinbare Zahl. Da lohnt sich ein Ausflug in die Zahlentheorie kaum. Wir versuchen es trotzdem:  2018 hat nur zwei Primfaktoren (2018 = 2·1009), ist also eine Fast-Primzahl. Was macht man, wenn man mehr wissen will? Man schaut in der OEIS nach, der Online Encyclopedia of Integer Sequences1. Dort findet man die übrigen Fast-Primzahlen mit nur zwei Primfaktoren (Semiprimes) unter der Nummer A001358.  Die Folge beginnt mit 4, 6, 10, 14, 15, … In den Bemerkungen zu A001358  liest man, dass große Semiprimes mit verschiedenen Primfaktoren in der RSA-Verschlüsselung benutzt werden. Es geht um Zahlen mit beispielsweise 129 Ziffern (RSA-129) – oder noch mehr Ziffern (RSA-140, …). In dieser Liga spielt 2018 natürlich nicht, zur Familie gehört sie aber.

Deshalb ein kleiner Spaß: Wir RSA-verschlüsseln einen Text mit n = 2018, also p = 2 und q = 1009 (n = p·q). Als zweite Zahl des öffentlichen Schlüsselpaares (n, e) wählen wir e = 521 (Eine willkürliche Wahl, e muss aber teilerfremd zum Wert φ (2018) = (p – 1)·(q – 1) = 1·1008 der Eulerfunktion sein). Wir verschlüsseln also gemäß  y = xe mod n = x521 mod 2018. Dabei ist x das Klartextzeichen, y das entsprechende Zeichen der verschlüsselten Nachricht. Unser Klartext sei ASCII-codiert, er besteht damit aus Blöcken x mit je zwei Ziffern. Der Einfachheit halber beschränken wir uns auf den Bereich der ASCII-Codes 32..90. Der Großbuchstabe „A“ (ASCII-Code x = 65) beispielsweise wird zu y = 65521 mod 2018 = 483 verschlüsselt. Um den Zeichen des verschlüsselten Textes eine einheitliche Länge von 4 Stellen zu geben, fügen wir bei dreistelligen Zahlen y links eine Null hinzu. Unsere gesamte verschlüsselte Nachricht lautet (jeder 4-er Block stellt ein verschlüsseltes zweistelliges ASCII-Zeichen dar)2:

0483 0718 0718 0823 0395 1270 0557 0587 1986 0823 1270 1462 0587 0823 1036 1270 0398 0174 0225 1970

Zum Entschlüsseln benötigen wir den geheimen Schlüssel. Der setzt sich zusammen aus n = 2018 und einer Zahl d,  die der Bedingung genügt d·e  =  1 mod φ (2018) = 1 mod 1008. Das führt zu d = 89. Die ASCII-Zeichen des Klartextes werden also mit Hilfe von x = y89 mod 2018 zurückgewonnen. Beispiel: Das Zeichen y = 0483 des verschlüsselten Textes wird zu x = 48389 mod 2018 = 65 im Klartext, also zum vorhin verschlüsselten „A“. Und jetzt die Hausaufgabe: wie lautet die obige Nachricht im Klartext? Ein guter Taschenrechner und eine ASCII-Tabelle wären bei der Lösung hilfreich3. Knobeln führt vielleicht auch zum Ziel – Spaß muss sein.

https://oeis.org
Nochmals: Dies ist ein kleiner Scherz, keine ernsthafte Verschlüsselung.
Beim Taschenrechner TI-nspire z. B. gibt man ein mod(43889, 2018) und erhält sofort 65 als Ergebnis.

Erdschatten

CIMG7645_MKlares Wetter und ein wolkenloser Himmel sind gute Voraussetzungen, in der Abenddämmerung den „Erdschatten“ zu sehen. Das Foto wurde kurz nach Sonnenuntergang in Barstow CA, USA (Mojave-Wüste) aufgenommen – Blickrichtung Osten. Der Erdschatten ist das violett-blau-graue Band über dem Horizont, sein oberer, rosarot gefärbter Rand der Widerschein des rot gefärbten Himmels in der Umgebung der im Westen untergegangenen Sonne. Dieser rötliche Gegendämmerungsstreifen wird auch „Gürtel der Venus“ genannt1. Es gibt bessere Fotos dieser Art, den Wettbewerb um das schönste überlasse ich anderen. Hier geht es um die Physik dieser Himmelserscheinung – um neuere Messungen, die der bisherigen Lehrmeinung möglicherweise widersprechen2.

Lorenz-Mie- und Rayleigh-Streuung

Portland Maine USA_M

Normalerweise habe ich kein Auge für das, was am Himmel zu sehen ist. Aber dieses gewaltige Wolkengebirge (Abbildung) schien mir ein Foto wert. Beim Druck auf den Auslöser drängte sich die Frage auf: Kannst Du eigentlich erklären, warum die Wolke weiß und der Himmel blau ist (typisch Physiker)? Konnte ich nicht, jedenfalls nicht so, dass ich selber von meinen Argumenten überzeugt war.

Also Literaturstudium, Stichwort Streuung von Licht. Die Theorie dazu, das wusste ich noch, lieferte Gustav Mie1. Aber dann las ich zu meiner Überraschung, dass schon 1890 (18 Jahre vor Mie) der dänische Physiker Ludvig Lorenz2 berechnete, wie eine elektromagnetische Welle an einer dielektrischen Kugel gestreut wird. Die Theorie heißt daher heute Lorenz-Mie-Theorie.

Sie ist mit aufwändigen Rechnungen verbunden. Heftigste Elektrodynamik: Vektor-Kugelfunktionen, Partialwellenentwicklung und dergleichen. Sie ergeben, dass die Streuung von der Größe der Kugel abhängt. Die Wassertropfen einer Wolke haben einen Radius von typischerweise 10 Mikrometer. Teilchen dieser Größe, so die Theorie, streuen alle im Sonnenlicht enthaltenen Wellenlängen mit der gleichen Wahrscheinlichkeit. Sie verändern die farbliche Zusammensetzung des einfallenden Lichts nicht. Eine Wolke strahlt deshalb mit der Summe aller Farben des Sonnenlichts, und die führt zu dem bekannten hellen Weiß. Bei Abschattung wird daraus das weniger geschätzte Grau.

Das Blau des Himmels habe ich bisher mit dem Namen des britischen Physikers Lord Rayleigh verbunden. Man weiß, dass es zustande kommt durch die Streuung des Sonnenlichts an den Luftmolekülen der Atmosphäre. Dabei wird der blaue Anteil des Sonnenspektrums bevorzugt zur Seite abgelenkt. Jetzt lerne ich, dass die Lorenz-Mie-Theorie im Grenzfall sehr kleiner Kugelradien das Strahlungsgesetz der Rayleigh-Streuung ergibt. Die Moleküle der Luft sind mehr als 5000mal kleiner als Nebeltropfen und können offenbar als derart kleine Kugeln betrachtet werden. Man kann sie aber auch als winzige elektrische Dipole auffassen, die von der elektromagnetischen Welle des Lichts in Schwingungen versetzt werden und daraufhin ihrerseits Licht emittieren. Dabei ergibt sich wiederum, dass der blaue Anteil bevorzugt abgestrahlt wird.

Jedenfalls erblicken wir am wolkenlosen Himmel das bevorzugt gestreute Blau, auch senkrecht zur Strahlrichtung der Sonne. Bei direktem Blick in die untergehende Sonne sehen wir den rot-gelben Anteil des Sonnenspektrums, der blaue Anteil wurde in der Atmosphäre herausgestreut.

Die Theorie ist umfangreich (wie angedeutet). Das Ergebnis sind Formeln für die Wahrscheinlichkeit, mit der Licht an (z. B.) Wassertropfen gestreut wird. Mit Hilfe eines Computeralgebrasystems berechnet man, wie sie bei gegebener Tropfengröße von der Wellenlänge abhängt – hier mehr dazu. Einiges aus der Theorie habe ich nachgerechnet, zum Beispiel die Herleitung der Formeln für die Mie-Koeffizienten. Sie ergeben sich aus den Randbedingungen für die Feldstärken an der Grenzfläche zwischen Tropfen und Außenraum. Dann die Bornsche Näherung. Sie ist für Wassertropfen aber nicht anwendbar – der Brechungsindex von Wasser (1.33) weicht zu sehr von 1.00 ab. Interessant ist, dass die Lorenz-Mie-Streuung im Grenzfall kleiner Tropfengröße in die Rayleigh-Streuung übergeht. Dies wird hier behandelt.

1  Gustav Mie: Beiträge zur Optik trüber Medien, speziell kolloidaler Metallösungen. In: Annalen der Physik. Vierte Folge, Band 25, 1908, Heft 3, S. 377–445,

2  Ludvig Valentin Lorenz (dänischer Physiker, 1829 – 1891): Artikel (in Dänisch) in Det Kongelige Danske Videnskabernes Selskabs Skrifter, 1890. Ludvig V. Lorenz ist nicht zu verwechseln mit dem Niederländer Hendrik Antoon Lorentz (1853 – 1928). Beide lieferten wichtige Beiträge zur Elektrodynamik und Relativitätstheorie. Die Lorenz-Eichung, das steht heute fest, geht auf den dänischen Physiker zurück, nicht auf den Niederländer.

Serliana

Serliana_04

Der italienische Architekt Sebastiano Serlio gilt als der Urheber der Fensteranordnung, die in Anlehnung an seinen Namen „Serliana“ genannt wird. Es ist ein Architekturelement, das man an vielen Gebäuden in Venedig und im Veneto antrifft („Venezianisches Fenster“). Die Anordnung besteht aus einem Rechteck mit aufgesetztem Rundbogen und zwei kleineren und schmaleren Rechtecken, die es links und rechts flankieren (Grafik). Über den seitlichen Rechtecken können sich kleine Rundfenster (Oculi) befinden. Palladio gestaltete nicht nur Fenster, sondern auch Portale in dieser Form, zu sehen beispielsweise in der Außenfassade der Markthalle („Basilica“) von Vicenza. Als Strukturelement von Gebäudefassaden wurde die Serliana später vielfach zitiert. Selbst moderne Architekten machen von ihr Gebrauch.

Auf einer Studienfahrt durch Oberitalien sah ich Serlios Fenster zum ersten Mal. Seine Form prägt sich sehr gut ein; so gut, dass ich es später mehrfach auch nördlich der Alpen entdeckte. Der Mittelrisalit des Städel-Museums in Frankfurt am Main zum Beispiel enthält zwei solcher Elemente. Eins dient als Eingangsportal im Erdgeschoss, das andere befindet sich im Stockwerk darüber. Seit einiger Zeit fotografiere ich Fenster à la Serliana (und moderne Abwandlungen derselben), wenn ich sie zufällig sehe. Hier meine ersten Exemplare.

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Städel-Museum Frankfurt am Main

Luettich

Lüttich

Neue Pinakothek Muenchen

Neue Pinakothek München

Muenster(Westfalen)

Münster (Westfalen)

Das Demo-Experiment, das mir nie gelang

ElektrFeld2Ladungen_MEine Pflichtübung für den Physiklehrer im Unterricht der Oberstufe: Die Demonstration, dass die Kraft zwischen zwei punktförmigen elektrischen Ladungen quadratisch mit wachsendem Abstand abnimmt. Das Gesetz ist nach Charles Augustin Coulomb benannt und eine der Grundlagen der Elektrizitätslehre. Warum das Experiment auch hart gesottene Physiklehrer zur Verzweiflung treiben kann, erkläre ich hier .

Die Abbildung zeigt Feld- und Äquipotentiallinien in der Umgebung zweier elektrischer Punktladungen. Die Ladungen sind unterschiedlich groß und haben entgegengesetztes Vorzeichen.

Mein persönliches Brix-Kopfermann-Diagramm

Brix_1965Vor zehn Jahren verstarb mein akademischer Lehrer Professor Peter Brix (Foto). In seinem Institut für Kernphysik an der TU Darmstadt war ich lange Zeit tätig. Ein kleiner, persönlicher Rückblick ist da angebracht.

Zumal ich kürzlich in meinen Unterlagen von damals den Entwurf einer Veröffentlichung entdeckte, die mit Optical Isotope Shift and Changes in Nuclear Mean Square Radius überschrieben war. Der Artikel sollte ein Review der bis dahin (1966) erschienen Arbeiten auf dem Gebiet der optischen Isotopieverschiebung werden. Auf diesem Forschungsgebiet arbeitete Professor Brix vor seiner Berufung nach Darmstadt, zusammen mit seinem Lehrer Kopfermann. In Darmstadt setzte er sich mit Erfolg dafür ein, dort einen Elektronen-Linearbeschleuniger zu installieren und gründete eine Forschungsgruppe, die sich mit der Streuung von Elektronen an Atomkernen beschäftigte. Gleichzeitig weitete er die Untersuchungen zur Isotopieverschiebung auf myonische Atome aus, die Experimente dazu wurden am Europäischen Kernforschungszentrum (CERN) in Genf gemacht.

An dem Review durfte ich mitarbeiten, obwohl ich von optischer Isotopieverschiebung so gut wie keine Ahnung hatte. Eine Ehre für mich, denn ich war damals noch ein Lehrling in der Zunft der Physiker: Meine Diplomarbeit, die ich gerade abgeschlossen hatte, betraf Experimente am Elektronenbeschleuniger. Die hatten keinerlei Bezug zur optischen Spektroskopie. Meine Aufgabe bestand dann auch nur darin, bei der Literaturrecherche zu helfen. Ich sollte alle veröffentlichten Daten zur Isotopieverschiebung sammeln und geeignet darstellen. Als Darstellung hatte sich in der Literatur das so genannte Brix-Kopfermann-Diagramm1 durchgesetzt – der Name lässt erkennen, wer damals das Forschungsgebiet weltweit anführte und Standards setzte. Im Brix-Kopfermann-Diagramm wird die Verschiebung der optischen Spektrallinien für ein Isotopenpaar bezogen auf eine Standard-Verschiebung. Das ist die Verschiebung, die man für Atomkerne mit konstanter Ladungsverteilung berechnet, deren Radius mit der dritten Wurzel aus der Massenzahl ansteigt. Diese Größe, in der Abbildung mit βCexp/Cth  bezeichnet, wird als Funktion der Neutronenzahl N  des schwereren der beiden Isotope aufgetragen. Für die meisten Isotopenpaare ist βCexp/Cth  kleiner als 1, das heißt kleiner als für Standard-Atomkerne erwartet. Es gibt jedoch Ausnahmen im Bereich der Seltenen Erden. Dort ist dieser Wert größer als 1 und deutet damit auf große Unterschiede in der Deformation (Abweichung von der Kugelgestalt) der Isotopenpaare hin.

CIMG0748_MMDer Review wurde leider nicht fertiggestellt. Ein englischer Kollege kam uns mit einem umfassenden Rückblick zuvor. Von unserem Entwurf überlebten nur ein paar Schreibmaschinen-Durchschläge mit hineingekritzelten Korrekturen – und das Millimeterpapier mit den Isotopieverschiebungen (Abbildung), die ich bis zum Abbruch der Arbeit gesammelt hatte: Mein persönliches Brix-Kopfermann-Diagramm. Inzwischen überholt, aber ein schönes und passendes Andenken an meinen wissenschaftlichen Lehrer.

Ein anderer Review, den ich einige Jahre später (1972) unter Anleitung von Professor Brix schrieb, wurde dann aber wirklich veröffentlicht. Er betraf die Arbeiten zur unelastischen Elektronenstreuung bei niedrigen Energien2, die bis dato bekannt waren. Die meisten von ihnen wurden am Darmstädter Beschleuniger ausgeführt, an einigen dieser Arbeiten war ich beteiligt. In erster Linie beschäftigte ich mich jedoch mit elastischer Elektronenstreuung. Mit dieser Methode bestimmt man mittlere quadratische Kernradien. Ich versuchte, Kernradiusdifferenzen zwischen Isotopen zu messen – also genau die Größe, die man aus den Daten der optischen Isotopieverschiebung gewinnt. Bei den Isotopen, die ich untersuchte, waren die Kernradiusdifferenzen jedoch so klein, dass ich nur eine obere Grenze angeben konnte.

Heute denke ich mit Wehmut an die Zeit im Institut für Kernphysik zurück. Es war nicht nur in wissenschaftlicher, sondern auch in menschlicher Hinsicht ein Ort, an dem man gerne arbeitete.

1  Brix, P. und H. Kopfermann: Physical Review 85, 1050 (1952) und Reviews of Modern Physics 30, (1958), S. 517
H. Theissen: Nuclear Spectroscopy of Light Nuclei by Low Energy Inelastic Electron Scattering, Springer Tracts in Modern Physics 65, S. 1 (1972).