Regenbogen – in Natur und Heimversuch

Regenbogen_Hochneukirch_03_MMAlles lässt sich an einem einzelnen Wassertropfen erklären. Die Gesetze der Strahlenoptik1 genügen, um die meisten seiner Eigenschaften zu verstehen: Die Sonnenstrahlen werden beim Eintritt in den Tropfen gebrochen, dann ein- oder mehrmals total reflektiert und beim Austritt wiederum gebrochen. Einmalige Reflexion im Innern des Tropfens führt zum Regenbogen erster Ordnung (Hauptregenbogen), zweimalige Reflexion zum Regenbogen zweiter Ordnung (Nebenregenbogen) usw.

Wem das alles bekannt ist, überspringe die nächsten Zeilen, vielleicht bis zum Stichwort Heimversuch. Der Link dahinter verweist auf Notizen zu einem Modellversuch, bei dem der Wassertropfen durch einen Plexiglaszylinder ersetzt wurde.

Jeder Sonnenstrahl wird aus seiner ursprünglichen Richtung um einen Winkel abgelenkt, der davon abhängt, in welchem Abstand vom Mittelpunkt des Tropfens er einfällt. Verfolgt man den Verlauf vieler Strahlen durch den Tropfen, so stellt man fest, dass es einen kleinsten Ablenkwinkel gibt –  und dass in der Umgebung dieses Winkels viele Strahlen zur Ablenkung beitragen. Die Strahlen bilden eine Kaustik (Brennlinie). Das bedeutet, dass hier die Lichtintensität groß ist. Das Auge registriert diese erhöhte Intensität als Regenbogen.

Der kleinste Ablenkwinkel beträgt bei einmaliger Reflexion (Hauptregenbogen) 138°, im Fall zweimaliger Reflexion (Nebenregenbogen) 231°.  Am Himmel beobachtet man die Bögen als Kreise um einen imaginären Mittelpunkt, genannt Sonnengegenpunkt (engl. antisolar point). Denkt man sich die Gerade, die vom Beobachter zum Sonnengegenpunkt gerichtet ist, als Bezugsachse, so sieht man den Hauptregenbogen unter dem Winkel 180° – 138° = 42°, den Nebenregenbogen unter demAbb3_Regenbogen_kritische_Strahlen Winkel 231° – 180° = 51°. Die nachfolgende Skizze zeigt die Strahlen mit kleinstem Ablenkwinkel für Haupt- und Nebenregenbogen (m=1 bzw. m=2). Die Sonne steht dabei tief am Horizont, so dass ihre Strahlen parallel zur Erdoberfläche verlaufen. Die Bezugsachse und der Sonnengegenpunkt liegen in diesem Fall in der Erdoberfläche, und die genannten 42° und 51° sind die Höhenwinkel, unter denen  Haupt- bzw. Nebenregenbogen erscheinen.

In den Winkelbereich zwischen 42° und 51° fällt nur wenig Licht. Es stammt von Regenbögen höherer Ordnung, deren Intensität gering ist. Deshalb ist das Gebiet zwischen Haupt-und Nebenregenbogen deutlich dunkler als andere Himmelsbereiche (Alexanders Dunkelzone2). Bei der zweimaligen Brechung des Strahls wird dieser spektral zerlegt, so dass der Ablenkwinkel  für die verschiedenen Wellenlängen, die im Licht der Sonne enthalten sind, unterschiedlich ist. Das erklärt die Farben des Regenbogens.

Ersetzt man den Wassertropfen durch einen geeignet geformten Acrylglaskörper, lassen sich einige Eigenschaften des Regenbogens im Heimversuch studieren. Der Versuch war ursprünglich gedacht als Praktikumsexperiment für meine Schüler(innen). Mehr davon hier.

 

1  Die strahlenoptische Erklärung des Regenbogens verdanken wir Descartes (1596 – 1650) und Newton  (1642 – 1726). Wellenoptische Rechnungen gehen zurück auf Young (1773 – 1829) und Airy (1801 – 1892). Eine Darstellung der Theorie des Regenbogens findet sich beispielsweise in dem Buch von van de Hulst, Light scattering by small Particles,  J. Wiley, New York 1957. Von J. D.  Jackson (Author des Standardtextes Classical Electrodynamics) stammt eine Kurzfassung der Theorie: From Alexander of Aphrodisias to Young and Airy, Physics Reports 320, (1999), S. 27. Ford und Wheeler  behandeln die Regenbogenstreuung als Sonderfall der quantenmechanischen Streuung (in halbklassischer Näherung),  Ann. Physics 7, S. 250 (1959).  Die exakte Theorie des Regenbogens behandelt die Streuung des Sonnenlichts auf der Grundlage der Maxwell’schen Gleichungen. Numerische Rechnungen dazu wurden z. B. von Nussenzweig  ausgeführt (Khare und Nussenzveig, Phys. Rev. Letters 33, S. 976 (1974)). Von Nussenzveig stammt auch eine populärwissenschaftliche Darstellung der Physik des Regenbogens, Scientific American, April 1977, S. 116.

2  Benannt nach Alexander von Aphrodisias, Kommentator des Aristoteles, Lehrer am Lyzeum in Athen, ca. 200 n. Chr.